November 22, 2024

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„Kulturzug“ verbindet Deutschland und Polen – DW – 08.01.2023

„Kulturzug“ verbindet Deutschland und Polen – DW – 08.01.2023

Der „Kulturzug“ zwischen der deutschen Hauptstadt Berlin und der südwestpolnischen Stadt Breslau ist seit 2016 in Betrieb. Die Fahrtzeit zwischen den Städten an Spree und Oder beträgt 4 1/2 Stunden – genug Zeit, um Informationen zu vermitteln. Informieren Sie Reisende über die Kultur anderer Länder und bieten Sie Unterhaltung für sie. An Bord treffen die Passagiere auf Schriftsteller, Musiker, Kulturschaffende, eine Bibliothek und eine Dauerausstellung.

Das Programm war ursprünglich auf sechs Monate angelegt, war aber so erfolgreich, dass es nie eingestellt wurde. Es hat sich zu einer angesehenen Institution entwickelt, die weit über die deutsch-polnische Grenzregion hinaus bekannt ist.

Ein Ort, an dem Polen und Berlin zusammenarbeiten

Zagrek Sudrych, ehemaliger Bürgermeister von Breslau, sagt, er sei eine der treibenden Kräfte hinter der Idee gewesen. „Jemand aus dem Rathaus fiel sofort ein Name ein: ‚Bosiak du Kultur‘ – Kulturzug“, sagt er und ergänzt, Ziel sei es, die Zusammenarbeit Polens mit Berlin und dem Land Brandenburg im Kulturbereich zu verbessern. Zeit, die vor zwei Jahren stillgelegte Bahnverbindung zwischen den beiden Städten wiederzubeleben.

Auf deutscher Seite, erinnerte er sich, habe eine „Gruppe junger Kreativer“ eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung und dem Gelingen der Idee gespielt.

Bereits lange vor dem Projektstart arbeiteten die Theater- und Germanistin Ewa Stroszczynska-Wille und die Übersetzerin Natalie Wassermann gemeinsam mit Regisseur und Produzent Oliver Spatz an diesem deutsch-polnischen Joint Venture. Spatz war von 2015 bis 2016 Direktor des Kleist Forums in Frankfurt an der Oder und ist bis heute Projektleiter von Culture Train.

Oliver Spatz, Ewa Stroszczynska-Ville und Natalie Wassmann neben dem Zug vor der ersten FahrtFoto: Ksenia Les

„Die Idee, Kultur im Zug anzubieten, hatten wir schon länger“, sagt Wasserman. Als Wrocław 2016 zur Kulturhauptstadt Europas gewählt wurde, war es eine einzigartige Gelegenheit, einen Traum zu verwirklichen, sagt er, als ein „Konsortium von Ideen“ zusammenkam.

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Die erste Fahrt war ausverkauft

Als der Kulturzug am 30. April 2016 vom Berliner Bahnhof Lichtenberg zu seiner Jungfernfahrt aufbrach, hielt Spatz‘ Team den Atem an. „Wir hatten Angst, dass wegen der langen Fahrt keiner mit der Bahn fahren würde“, erinnert er sich.

Am Ende waren sie völlig überrascht. „Es wollten mehr Leute reisen, als wir aufnehmen konnten“, sagt er. „Wir hatten 420 Sitzplätze geplant. Zwei Wochen später war jeder Sitzplatz ausverkauft. Das hat uns umgehauen.“

Die Organisatoren standen vor der großen Herausforderung, ein Kulturprogramm zu entwickeln, das ein vielfältiges Publikum ansprechen würde. Sie entwickelten einen grundlegenden Plan, der sich an ein breiteres Publikum richtete. Das Schiff hatte ein Quiz und eine mobile Bibliothek. Die Passagiere beantworteten einfache Fragen wie die Anzahl der Bundesländer oder Woiwodschaften in beiden Ländern. „Der Schlüssel war, die Leute dazu zu bringen, miteinander zu reden“, erinnert sich Wasserman.

Literatur, Musik, Theater und Disco an Bord

Vor allem aber war der Zug ein Ort für Musik, Schauspiel, Tanz und Vorträge. Es gab Clubnächte und Tanztees, für jeden Geschmack etwas – eine „kulturelle Wundertüte“, taz Einmal veröffentlichte Tageszeitung.

„Im Zug herrscht eine wunderbare, aufgeschlossene Atmosphäre“, sagt Dorota Danielewicz, eine polnische Schriftstellerin aus Berlin, „man tauscht sich aus und neue Bekanntschaften werden geknüpft.“

Der Schriftsteller ist fast Stammgast im Kulturzug. Dort stellte er seine Bücher „Auf der Suche nach der Seele Berlins“ und „Das weiße Lied“ vor. Er fahre auch zum Vergnügen mit der Bahn, sagt er, zum Beispiel zum Weihnachtsmarkt in Wrocław.

Dorota Danielewicz, die Frau, die mit einem Buch und einem Headset im Zug sitzt
Dorota Danilevic las aus ihrem Buch „The White Song“ Bild: Privat

Auch Politiker nutzten den Zug, darunter Dietmar Voytke, Ministerpräsident des deutschen Landes Brandenburg, der während einer Reise mit dem damaligen Breslauer Bürgermeister Raffael Dutkiewicz über die Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen diskutierte. Berlins Kultur- und Europaminister Klaus Lederer reiste mit seinen polnischen Amtskollegen mit dem Zug an, um die Situation in der deutschen Hauptstadt zu erläutern. „Der Kulturzug schafft informelle Ebenen verstärkter Vernetzung“, sagt Projektleiter Spatz.

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Das Programm war für sechs Monate von Mai bis Oktober 2016 geplant. Doch es war mit 22.000 registrierten Fahrgästen allein im ersten Jahr ein großer Erfolg und wurde immer wieder verlängert.

„Wir sagen immer, Ende dieses Jahres ist es vorbei“, sagt Natalie Wasserman. Aber der Zug fuhr stark. Der Kulturzug war ein deutsch-polnischer Triumph. Während der Covid-Pandemie war die Verbindung für ein Jahr ausgesetzt, ab Juni 2021 fährt der Zug aber wieder.

Networking im deutsch-polnischen Zug

Die Culture Rail half dabei, ein Netzwerk zu schaffen, das in die umliegenden Gebiete und in die Städte reichte, sagt Wasserman. Laut Spatz haben andere polnische Städte Interesse an dem Projekt bekundet, darunter Poznan und Szczecin.

Vier Personen sitzen an einem Tisch in einem Zug
Politiker an Bord: Dietmar Voytke und Rafal Dutkiewicz fahren mit dem KulturzugBild: Staatskansle Brandenburg

Seit seiner Einführung sind mehr als 80.000 Fahrgäste mit dem Zug gefahren. Im März und April 2022 brachte der Zug außerdem 6.000 ukrainische Flüchtlinge aus Polen nach Deutschland.

Bis vor kurzem wurde das Projekt von der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Berlin finanziert, die Länder Berlin und Brandenburg tragen die Kosten. Es war eine Übergangsregelung mit der Koalitionsregierung, die das Land Berlin ab 2021 regieren wird – die Kulturförderung wurde Teil des tTain-Koalitionsvertrags. Das Projekt wird seit Oktober 2022 von der Behörde Kulturprojekte Berlin gefördert.

Endlich können Projektleiter Oliver Spotts und sein Team bis Ende des Jahres planen. Nach der letzten Silvesterzugfahrt gibt es eine dreimonatige Pause, bevor der Zug im April wieder abfährt und nun in der Stadt Boleslavík hält, die für ihre dunkelblauen Töpferwaren berühmt ist. Für 19 Euro reisen Fahrgäste mit Kulturprogramm von Berlin nach Breslau.

Die Arbeiten am neuen Projekt sind im Gange. Als Gastgeber ist der Schriftsteller Wolfgang Templin gebucht, einst Oppositioneller in der DDR. „Die Deutschen wissen sehr wenig über den Beitrag Polens zur Geschichte der europäischen Unabhängigkeit. Ich möchte versuchen, diese Lücke zu schließen“, sagt Templin der DW.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.