Die Inflation ist hoch, die Lebensmittelpreise steigen von November 2021 bis November 2022 um rund 21 %. Um Familien zu entlasten, diskutiert Deutschland über eine Senkung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Lebensmittel. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat wiederholt gefordert, die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel abzuschaffen. Auch das Umweltbundesamt (UBA) und die Interessenvertretung Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordern die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel.
Die Steuer auf Grundnahrungsmittel wurde auf 7 % gesenkt. Der Mehrwertsteuersatz für sonstige Waren beträgt 19 %. UBA-Präsident Dirk Messner schätzt, dass durch die Mehrwertsteuerbefreiung für Obst, Gemüse, Getreideprodukte und Pflanzenöle die privaten Haushalte jährlich rund vier Milliarden Euro sparen würden.
Wer profitiert vom ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel?
Allerdings profitieren nicht alle gleichermaßen von diesem Schritt. Haushalte mit niedrigem Einkommen geben im Vergleich zu wohlhabenderen Haushalten einen relativ größeren Prozentsatz ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Sie werden stärker von der Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel profitieren.
Aber auch Gutverdiener zahlen weniger für Lebensmittel, sagt Sebastian Tullien von der Hans-Bachler-Stiftung. „Französischer Käse kostet mit 5,99 Euro pro 100 Gramm 40 Cent weniger, abgepackter Gouda-Käse, der im Lebensmittelgeschäft 60 Cent pro 100 Gramm kostet, ist nur 4 Cent günstiger“, sagt der Ökonom. Absolut gesehen sparen Menschen mit höheren Einkommen mehr – aber nicht unbedingt im Verhältnis zu ihrem Gesamteinkommen.
Wohlhabende Haushalte geben absolut doppelt so viel für Lebensmittel aus wie einkommensschwache Haushalte, weil sie teurere und qualitativ hochwertigere Lebensmittel konsumieren, sagt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
„Verzögerte Entscheidung“
Niedrigere Preise für bestimmte Lebensmittel sollen neben der finanziellen Entlastung auch dazu beitragen, die Menschen vom Fleisch- und Gemüsekauf abzubringen. Die Mehrwertsteuersenkung wird den Anreiz für eine gesunde und nachhaltige Ernährung erhöhen, indem Obst und Gemüse günstiger werden, insbesondere im Vergleich zu tierischen Lebensmitteln einschließlich Fleisch, sagt Ann Marquardt vom VZBV.
„Auch wenn es viele Menschen in Deutschland nicht hören wollen, wir müssen viel weniger Fleisch und andere tierische Produkte konsumieren“, sagt DIW-Präsident Marcel Fratscher, der aus sozialer, ökologischer und gesundheitlicher Sicht eine Bundesregierung antritt. Die Entscheidung, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Getreide abzuschaffen, ist wichtig und längst überfällig.
Niedrige Preise für Bio-Lebensmittel könnten in einer Zeit helfen, in der Naturkostläden und Läden mit hochwertigen Bio-Produkten unter massiven Umsatzeinbußen leiden, sagt Joachim Ruckweit, Vorsitzender des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Der aktuelle Trend geht zum Kauf von Bio-Lebensmitteln bei Lebensmitteldiscountern, was viele Landwirte vor der Umstellung auf den ökologischen Landbau zurückschrecken lässt.
Werden die Preise wirklich sinken?
Damit die Mehrwertsteuersenkung wirksam wird, müssen Unternehmen sie an die Verbraucher weitergeben. „Grundsätzlich haben wir im deutschen Lebensmitteleinzelhandel einen relativ starken Wettbewerbsdruck, sodass zumindest langfristig davon ausgegangen werden kann, dass die Mehrwertsteuersenkung an die privaten Haushalte weitergegeben wird“, sagt DIW-Forschungspartner Stefan Bach . . Angesichts hoher Inflations-, Energie- und anderer Kosten bezweifelt er, dass die Unternehmen die Mehrwertsteuersenkungen kurz- bis mittelfristig schnell weitergeben werden.
Im Jahr 2020, als der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 % auf 16 % und der reduzierte Satz für sechs Monate von 7 % auf 5 % gesenkt wurden, ist die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung ein Indiz dafür, wie Unternehmen auf die Mehrwertsteueränderungen reagieren.
Laut einer Studie der Deutschen Bundesbank wurden 60 % der Steuersenkungen an die Verbraucher in der Wirtschaft weitergegeben; Zwischen 70 % und 80 % sind laut Forschern des Münchener ifo Instituts in der Lebensmittelbranche qualifiziert.
Damals war die Situation jedoch anders: Es war von Anfang an klar, dass die Mehrwertsteuersenkung nicht nur für Lebensmittel galt, die Inflation nicht mehr vorhanden war und die Steuerbefreiung befristet war. Daher sei der Effekt der Mehrwertsteuersenkung schwer vorherzusagen, sagt DIW-Experte Bach, denn die Datenlage sei relativ gering, da es die Mehrwertsteuer noch nicht lange gebe und eher steige als sinke. Wenn es sich in der Vergangenheit geändert hat.
Kosten für den Staat
Experten können jedoch abschätzen, wie viel Geld der Staat verlieren wird. Derzeit bringt die 7-prozentige Mehrwertsteuer auf Lebensmittel 15 Milliarden Euro pro Jahr an Einnahmen, sagt Bach. „Diese Einnahmen gehen verloren und müssen durch andere Einnahmen ausgeglichen werden, oder das Defizit wird weiter steigen.“
Tullien von der Hans-Böckler-Stiftung warnt davor, dass ohne Mehrwertsteuerfinanzierung in den kommenden Jahren das Geld für wichtige Projekte wie die Erneuerung der Infrastruktur, die Stärkung des Bildungssystems und die Dekarbonisierung knapp werde.
Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer auszunehmen, fördert eine gesunde Ernährung und spart langfristig Kosten, etwa im Gesundheitswesen, argumentiert Ann Marquardt vom VZBV.
Auch die Mehrwertsteuersenkung wird sich kaum auf die Inflation auswirken. Laut Statistischem Bundesamt werden Lebensmittel im Jahr 2022 knapp 10 % der Inflationsmessgrößen ausmachen. Laut Bach könnte der Schritt die Inflation um 0,6 % bis 0,7 % senken.
Temporäre Mehrwertsteuersenkungen in Spanien
Während die Debatte in Deutschland noch andauert, haben einige Länder, darunter Polen und die Türkei, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, einschließlich Fleisch, im Jahr 2022 gesenkt.
In Spanien entfällt die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Brot und Milch zum 1. Januar 2023 – Fleisch und Fisch sind zunächst für sechs Monate ausgenommen. Infolgedessen fielen die Preise, aber die spanische Verbraucherschutzbehörde FACUA meldete der nationalen Wettbewerbsbehörde des Landes in der ersten Januarwoche, dass sieben Einzelhandelsketten den Käufern keine Preissenkungen anbieten.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.
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